mit an. Es muss schnell gehen, denn wir wollen den Wind nutzen. Wann immer möglich, üben wir Achtknoten und Kopfschlag, Weblein-, Kopf- und Palsteg. Dabei genießen wir den Blick auf das Meer, den Wind im Haar und die Wärme der Holzplanken unter den Füßen. Die Momente an Bord ähneln sich. Es sind die Radrouten, die auf den täglich zu fahrenden 35 bis 55 Kilometern erstaun- lich oft neues Inselterrain bieten. Das längste Haus, der kleinste Nationalpark Zahlreiche Buchten und Lagunen, die sogenannten Bodden und Wieke, säumen den Küstenverlauf Rügens. Mondäne Ostseebäder holen den Gla- mour der Kaiserzeit zurück. Etwa das Ostseebad Sellin mit seiner 400 Meter langen Seebrücke oder sein Pendant in Binz mit bis zu 50 Meter breiten Sand- stränden, an denen Sonnenhungrige wie Schatzsucher, die im Seetang nach Bernstein buddeln, zu finden sind. Von klassizistischer Bäderarchitektur ist der Koloss von Prora so weit entfernt wie ein Elefant von einer Taube. Dennoch ist der mit 4,5 Kilometer längste Gebäu- dekomplex Europas imposant. Genau wie der Nationalpark Jasmund, durch den wir zu den Kreidefelsen radeln. Eine Aussichtsplattform schenkt uns freie Sicht auf den Königstuhl. 118 Meter ragt er aus der Ostsee. Wie er zu seinem Namen kam, ist unbekannt – genau wie der Geburtsort Klaus Störtebekers. Wir finden, der müsste „Schabernack“ lau- ten. Dem amüsanten Ortsschild folgen das Örtchen „Zicker“ und „Zecherin“. Unser Lachen bleibt nicht unbemerkt. Rauwollige pommersche Landschafe heben ihre schwarzen Köpfe, bevor sie mit der Landschaftspflege auf den Dei- chen fortfahren. Es ist ein beschauliches Idyll, das auf Usedom ähnlich und doch anders zu finden ist. Pferdekopf-Pum- pen ragen „im Dallas der DDR“ aus der Landschaft und wo vor Jahrzehnten an Raketentechnik geforscht worden ist, holt sich das Grün langsam alles wieder zurück. Natur und Militärruinen bilden Deutschland größtes Flächendenkmal. Jetzt patrouillieren Fischotter oder Seeadler im Schutzgebiet und in den von Bodden-Binse und Strand-Wegerich bewachsenen Bunkern finden Fleder- mäuse Unterschlupf. Unter Volltakelage bei Windstärke 7 haben wir Peenemün- Reportage INFOS Steckbrief Rügen Mit seinen 926 km2 Größe und gut 63 000 Einwohnern ist Rügen die flächengröß- te und bevölkerungsreichste Insel Deutschlands. Zahlreiche Halbinseln, auch Buchten und Lagunen, die sogenannten Bodden und Wieke, säumen ihren Küstenverlauf. Die Insel ist berühmt für ihre teils bis zu 500 Meter breiten Sandsträn- de, mondänen Seebäder und Kreidefelsen. Seit 2011 sind sie UNESCO-Weltnaturerbe, genau wie die großen Buchenwälder. Felsen und Wälder sind Teil des Jasmund-Nationalparks. Jasmund und Nationalpark: Mit 493 km2 ist er der kleinste Nationalpark Deutschlands. Dennoch beherbergt er die größten Buchenwälder an der Ostseeküste in einer von Hügeln und Bachtälern, Mooren und Quellen reichen Küstenland- schaft. Seine höchste Erhebung misst 161 Meter ü. NN. Die Kreide, auf der alles fußt, ist 70 Millionen Jahre alt. de am fünften Reisetag von Sassnitz aus angesteuert. Auf den Radetappen gönnen wir uns einen Kuchen, manchmal auch Steino- fenbrot mit Bismarck oder Matjes zum Inselbier, nicht mehr. Wir sind gar nicht so erpicht auf Auswärtsessen, denn die Menüs aus der Kombüse der Atlantis sind reichhaltig. „Sangrimea“ und Sirtaki Mit einem Frischgezapften vom Tresen an Deck oder einem Glas „Sangrimea“, einem Spezialmix der Barchefin Timmi, lauschen wir den Segelgeschichten von Steuerfrau Christel, die mit gerade mal 16 Jahren den Atlantik überquert hat. Skipper Serge schildert die Querung des Ärmelkanals unter vollen Segeln und bei 30 Grad Neigung – ein Umstand, den er Billigdiesel zu verdanken hatte. An Bord ist Improvisation gefragt, denn die Aufgaben der nautischen Crew sind vielfältig. Vom Reinigen der Motorfil- ter über das Tauschen spröder Taue in knapp 30 Meter Höhe bis zur Wache an Deck. Und ist der Hafen zu seicht für den Kiel der Atlantis, chauffieren die Matrosen Räder wie Gäste mit dem Beiboot an Land. Und bleibt dennoch etwas Freizeit, werden Rastas gehäkelt oder Musik gemacht. Rügens Kreidefelsen von der Seeseite aus. www.abenteuer-magazine.de | 31